Aufstieg der NS-Bewegung

Nachdem schon seit 1926 wiederholt versucht wurde, durch Bildung eines Stützpunktes der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) im Ort Fuß zu fassen, kam es am 28. August 1929 im „Bürgergarten“ zur Gründung der Ortsgruppe Oetzsch-Gautzsch. [1] Ein Jahr später, am 20. September 1930, wurde der erste Ordnertrupp der Sturmabteilung (SA), eine paramilitärische Kampforganisation der NSDAP während der Weimarer Republik, gebildet. Wenige Monate darauf, am 9. Februar 1931, erfolgte die Gründung der örtlichen NS-Frauenschaft.

Anfang 1930 wird Bernhard Hößelbarth, Mitbegründer der Ortsgruppe, Bürgermeister von Gautzsch. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 kann die NSDAP in Oetzsch die meisten Stimmen auf sich vereinen, während in Gautzsch die SPD weiterhin die stärkste Partei blieb. Die Reichstagswahl vom 6. November 1932 endete auch in Markkleeberg mit Stimmenverlusten für die NSDAP. Die folgende Wahl vom 5. März 1933 fand bereits im Schatten des beginnenden nationalsozialistischen Regimes statt und war geprägt von Übergriffen sowie staatlicher Verfolgung politischer Gegner, insbesondere von Kommunisten. Unter diesen Umständen wurde die NSDAP mit einem deutlichen Vorsprung vor der SPD in Oetzsch und einem knappen Vorsprung in Gautzsch nun endgültig die stärkste Partei.

Bereits im April 1898 erwarb der erfolgreiche Verleger und Publizist völkisch-antisemitischer Schriften, Theodor Fritsch, ein Grundstück in Gautzsch, dem heutigen Markkleeberg-West. [2] Der „Schöpfer des praktischen Antisemitismus“ [3] ist eine Schlüsselfigur des modernen Antisemitismus in Deutschland und zählt zu den wichtigsten ideologischen Ideengebern des Nationalsozialismus. Sein „Handbuch der Judenfrage“, das erstmals 1887 unter dem Titel „Antisemiten-Catechismus“ veröffentlicht und bis 1944 in 49 Auflagen gedruckt wurde, wollte Hitler bereits „in früher Jugend in Wien eingehend studiert“ [4] haben.

Am 8. September 1933 starb Fritsch in Gautzsch. Die Gedenkrede des Ortspfarrers Hans Rudolf Stamm verdeutlicht seine Rolle als geistigen Wegbereiter der antisemitischen und völkischen Bewegung: „Und wir können uns gar nicht denken, wie die Entwicklung unseres Volkes gegangen wäre ohne diesen treuen Kämpfer. Denn das ist es, was uns in dieser Abschiedsstunde fast wie ein ehrfürchtiger Schauer überkommt: Ihm ist es vergönnt gewesen, nach einem langen und reichen Leben zu sehen, wie die von ihm gesäte Saat mit aufgeht im neuen Deutschland.“ [5]

Die Beerdigung fand am 12. September 1933 unter großer Anteilnahme sowohl der Bevölkerung als auch des Staatsapparates statt. [6] Nach zeitgenössischen Berichten säumten drei- bis viertausend Menschen den Weg von der Martin-Luther-Kirche zum Friedhof. [7] Am Grab von Fritsch versammelten sich u. a. der sächsische Ministerpräsident Manfred von Killinger, Reichsstatthalter in Sachsen Martin Mutschmann, der Landtagspräsident Walter Dönicke, der Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler und der in SA-Uniform erschienene sächsische Landesbischof Friedrich Coch. Auch Adolf Hitler, Joseph Goebbels, Hermann Göring, und Ernst Röhm übermittelten schriftlich ihre Trauer. [8]

Johannes Hohaus
© Kulturbahnhof e.V., Markkleeberg
25. August 2016