Familie Berliner

Das Grundstück Rathausstr. 34, vor dem seit dem 05. September 2017 vier Stolpersteine liegen, war bis zu dem schweren Bombenangriff auf Markkleeberg am 20. Februar 1944 mit einem großen dreigeschossigem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Rosa Berliner hatte dieses Haus 1919 erworben, seit November 1925 lebte die Familie hier, einige Zeit war es die einzige Einnahmequelle der Berliners und schließlich sollte es im Jahre 1939 die Flucht finanzieren und das Überleben der Familie ermöglichen.

Rosa Stern wurde am 7. Dezember 1881 im ungarischen Papa geboren. Im August 1908 heiratete sie den aus Breslau stammenden Max Meyer Berliner (geb.26.11.1872) . Die junge Familie lebte in Wien, wo am 7. Februar 1910 die älteste Tochter Lucie geboren wurde. Max Berliner war ein Großcousin des bekannten Leipziger Bankiers Hans Meyer Kroch. Vielleicht besteht hier der Zusammenhang zur Umsiedlung der Familie Berliner in unseren Raum.

Die zweite Tochter der Familie, Gertrud, kam am 03. Februar 1914 in Gautzsch im Ring 45 zur Welt. Das heutige Markkleeberg war nun für ein Vierteljahrhundert der Lebensmittelpunkt der Familie Berliner. Hier wurde am 19. Januar 1921 Friedrich Berliner geboren.

Wie bereits erwähnt, erwarb Rosa Berliner das Wohn- und Geschäftshaus in der damaligen Hauptstr. 34. Nach dem Tod von Max Berliner 1923 und von Rosas Mutter 1925 zog die Familie in eine Wohnung dieses Hauses. Sie lebten von den Mieteinnahmen, dem Verkauf von Handarbeiten und den Einkommen der Mädchen. Lucie Berliner arbeitete bis zum 9. November 1938 als Büroangestellte in der Firma „Gebrüder Löwenberg“. Getrud Berliner war als Verkäuferin von Textilien tätig. Friedrich Berliner lernte Schaufensterdekorateur beim Seidenhaus Jacoby. Später absolvierte eine landwirtschaftliche Ausbildung in einer sogenannten Hachschara – Stätte, um nach Palästina auswandern zu können.

1937 heiratete Gertrud Berliner den aus Polen stammenden Juden Piotr Luboszyz. Die Hochzeitsfeier fand im Haus der Familie. Im Vorfeld des 9. November 1938 wurde den nun staatenlosen Eheleuten mehrfach nahe gelegt Deutschland zu verlassen. Ihnen gelang die Flucht nach Australien. Gertrud Lubo lebte bis zu ihrem Tod am 04. Juni 2017 in Sydney.

Für die in Markkleeberg verbliebenen Familienmitglieder verschlechtern sich die Lebensumstände 1939 zusehends. Sie verkauften ihr Haus um mit dem Geld die Flucht nach Australien zu finanzieren. Über das Geld durfte Rosa Berliner allerdings nicht frei verfügen, da es auf ein Sperrkonto eingezahlt werden musste. Auszahlungen erfolgten ausschließlich nach schriftlichen Anträgen. Da es jedoch nicht gelang, Visa für Australien zu organisieren, flohen Rosa, Lucie und Friedrich Berliner Mitte Dezember 1939 illegal nach Belgien. Dort gerieten sie in die Wirren des Zweiten Weltkrieges. Rosa Berliner und Lucie, die in Belgien ihren Verlobten Isaack Jamschon geheiratet hatte, wurden nach Frankreich abgeschoben und im Lager Gurs interniert. Ihnen gelang allerdings die Rückkehr nach Brüssel. Dort lebte die Familie unter zunehmend schwieriger werdenden Bedingungen bis Mitte 1942.

Friedrich Berliner, Lucie Berliner und Isaak Jamschon wurden mit dem Transport vom 11. August 1942 vom belgischen Mechelen nach Auschwitz deportiert. Sie erreichten Birkenau am 13.08.1942. Lucie Berliner wurde mit großer Wahrscheinlichkeit nach der Selektion an der alten Rampe in Birkenau ermordet. Friedrich Berliner erhielt die Häftlingsnummer 58227. Er überlebte im Lager als Arbeiter einer Maurerbrigade drei Monate bis zum 11.10.1942. Laut Sterbeurkunde ist die Todesursache des 21 – Jährigen „plötzlicher Herztod“. Sein 14 Jahre älterer Schwager Isaak Jamschon ist zu diesem Zeitpunkt schon einen Monat tot. Die Deportation von Rosa Berliner nach Auschwitz erfolgte am 26.September 1942. Ihrem Transport von Mechelen nach Auschwitz gehörten 1742 Menschen an. Sie erreichten das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau am 28.September 1942. 1398 Deportierte wurden sofort ermordet – mit Sicherheit auch Rosa Berliner.

Die vier vor dem ehemaligen in der Rathausstr. 34 verlegten Stolpersteine werden von nun an das tragische Schicksal ihrer Familie, der Markkleeberger Bürger Rosa, Lucie, Friedrich und Gertrud Berliner wach halten.

© AG Spurensuche Rudolf-Hildebrand-Schule, Markkleeberg
3. September 2017