Familie Suhl
Chane Suhl, geboren am 12.Dezember 1889 in Bedzin (Russland) als Chane Chana Gena Lichtenfeld, heiratete am 28.August 1913 in Sesnowiec (Polen) Abraham Suhl (geb. 03.12.1894) aus Ostgalizien. Aus dieser jüdischen Ehe gingen die drei Söhne Benzion Benjamin Suhl (geb. 1914), Jakob Suhl (geb. 1922) und Emanuel Suhl (geb. 1924) hervor.
Jakob Suhl war ein guter Freund des Schriftstellers Günter Grass. Dieser veröffentlichte 1999 in dem Buch „Mein Jahrhundert“ autobiografische Erzählungen. Im Kapitel 1990 berichtet er, dass er sich mit Jakob und Leonore Suhl getroffen habe und diese dann gemeinsam auf den Spuren von Jakobs Kindheit „in ein Arbeiterviertel, dass früher Oetzsch geheißen hatte und jetzt Markkleeberg hieß“ gefahren seien. Günter Grass erzählt von „dem Mietshaus, dem Hinterhof, in dem die Wäsche hing“, vom in die Jahre gekommenen Jakob Suhl, der sich stolz von Leonore Suhl in seiner alten Heimat fotografieren ließ.
Seit 1923 lebte die Familie Suhl in der heutigen Hauptstraße 68 in Markkleeberg, damals Oetzsch. Chane Suhl arbeitete als Modistin, sie stellte also Kopfbedeckungen her. Ihr Mann Abraham Suhl promovierte 1921 in Zürich und kam danach nach Oetzsch. 1932 trennten sich Abraham Suhl und Chane Suhl voneinander. Ab 1933 wurde Dr. Abraham Suhl als jüdisches KPD Mitglied von der Gestapo verfolgt. Er floh zunächst nach Prag und konnte dann nach New York emigrieren (1936 in Arden Street ansässig). 1934 wurde der Familie die 1923 gewährte Einbürgerung entzogen. Somit waren sie staatenlos und besaßen keine politischen Rechte.
Die beiden jüngeren Söhne Jakob und Emanuel Suhl folgten ihrem Vater zuerst, später erreichte auch der älteste Sohn Benzion Suhl New York. Chane Suhl folgte ihren Söhnen- vermutlich aufgrund von Devisenmangel - nicht nach in die USA. Sie lebte weiter in Markkleeberg. 1935 wurde die Ehe von Abraham und Chane Suhl in Riga geschieden. Am 12. April 1940 heiratete Chane Suhl Dr.med. Meier Kolp (geb. 1882 in Kaunas, Litauen), durch welchen sie die litauische Staatsangehörigkeit erhielt. Dr. Meier Kolp emigrierte nur fünf Tage nach der Eheschließung in die USA (New York) – ohne seine Ehefrau. Chane Suhl hatte bereits am 18. April 1939 einen Auswanderungsantrag für die USA und für Litauen gestellt. Die Genehmigung der Auswanderung für Litauen erhielt sie nach der Eheschließung. Nachdem Chane Suhl, verheiratete Kolp, am 01.September 1939 aus der Adolf-Hitler-Straße 68 (Hauptstr.) nach Leipzig in die Yorkstraße 6, III, links (vermutlich ein sog. Judenhaus) gezogen war, emigrierte sie am 17.Juni 1940 nach Kaunas in Litauen. Drei Tage nach ihrer Emigration okkupierte die Sowjetunion das bis dato unabhängige Litauen.
Im Juni 1941 nahm die deutsche Wehrmacht Litauen ein. Die nationalsozialistische Rassenpolitik wurde auf Litauen übertragen. Die Spuren von Chane Suhl verlieren sich in Litauen. Alle Juden aus Kaunas wurden am 15. August 1941 in ein Ghetto umgesiedelt. In diesem Ghetto fanden systematisch durchgeführte Massenerschießungen statt. Kaunas wurde zum Schauplatz der größten Massenmorde in ganz Litauen.
Chane Suhl soll 1941 von einem Wachkommando der Wehrmacht in Kaunas erschossen worden sein. Sicher ist zu sagen, dass Chane Suhl eine von 38.000 von ehemals 40.000 Juden in Kaunas ist, die die deutsche Okkupation Litauens nicht überlebten.
© AG Spurensuche Rudolf-Hildebrand-Schule, Markkleeberg
4. Januar 2017