NS-Einrichtungen

Führerschule des Reichsarbeitsdienstes

Im Zuge der Errichtung des NS-Regimes zwang die Reichsregierung mit dem Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26. Juni 1935 jeden Jugendlichen – unabhängig vom Geschlecht – zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr im Reichsarbeitsdienst (RAD) zu dienen. Dieser sogenannte „Ehrendienst am deutschen Volke“ beinhaltete auch eine militärische Ausbildung und sollte „die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft“ erziehen. [1]

In Großstädteln, das 1937 nach Markkleeberg eingemeindet wurde, befand sich ab Juni 1933 die sächsische Führerschule des RAD, in der zukünftige RAD-Führer im Geiste des Nationalsozialismus geschult wurden. [2] Untergebracht war sie im ehemaligen Gutshaus bzw. Schloss Großstädteln, das zu dieser Zeit im Besitz der Aktiengesellschaft Sächsische Werke (ASW) war, die in Böhlen ein Braunkohle- und Großkraftwerk betrieb. Über dem Eingang der Schule sollte der Leitspruch „Führer sein heißt Vorbild sein!“ Lehrern und Schülern den ideologischen Weg zeigen, „den sie zu verfolgen haben, um die deutsche Jugend im Sinne des Arbeitsgedankens und der nationalsozialistischen Staatsauffassung zu erziehen.“ [3]

Am Abschlussabend des ersten Führerkurses nahmen neben dem Leiter der Schule und Stadtverordneten, Hans Schneider, auch der Landesführer für den Staatlichen Arbeitsdienst, ein gewisser Oberstleutnant von Alten, der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Carl Friedrich Goerdeler, und der Landtagspräsident Walter Dönicke, der nach dem Rücktritt Goerdelers bis Oktober 1938 das Amt des Oberbürgermeisters innehatte, teil. [4] Ein Dachstuhlbrand am 4. März 1934 unterbrach jedoch die Schulungen. [5] Nach der anschließenden Sanierung durch Baumeister Wilhelm Günther, fand am 31. August 1934 die feierlichen Umbenennung des Schlosses in „Adolf Hitler Schule“ statt. [6]

Gegen Ende des Krieges fanden in der Führerschule keine Lehrgänge mehr statt. Die RAD-Einheiten wurden nun insbesondere in der sogenannten „Heimatverteidigung“ als Ersatz für Wehrmachtseinheiten eingesetzt. Der Gutshof diente als Stellplatz für Militärfahrzeuge und auch die Reparatur beschädigter Flakgeschütze wurde auf dem Gelände durchgeführt. [7]

Schrifttumsreferate des Reichssicherheitshauptamtes

Im August 1943 wurden Teile der Abteilung III C 4 „Propaganda und öffentliche Führungsmittel“ des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), zu der auch die Verbindungsstelle des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS (SD) in der Deutschen Bücherei Leipzig gehörte, unter dem Decknamen „Oberon“ in das Herrenhaus bzw. Schloss Gautzsch im heutigen Keesschen Park verlegt. [8] Die literaturpolitischen Referate prüften alle Neuerscheinungen auf dem deutschen Buchmarkt sowie Zeitungen und Zeitschriften und legten dem SD/RSHA regelmäßig Berichte darüber vor. Zusätzlich wurden Vorschläge zum Verbot jüdischer und gegnerischer Schriften angefertigt.

Für die Unterbringung der rund 30, nach anderen Angaben sogar 80 bis 100 Mitarbeiter, wurden im Park zahlreiche Holzbaracken errichtet. Ab Januar 1945 war die Ausweichstelle „Oberon“ zusätzlich Auffangstelle für Frauen und Kinder zahlreicher RSHA-Mitarbeiter, die vor den Alliierten und der Bombardierung Berlins flüchteten. Weiterhin wurden die geflüchteten Historiker der Reichsuniversität in Straßburg und bekennenden Nationalsozialisten Prof. Ernst Anrich und Prof. Günther Franz im Schloss untergebracht.

In den letzten Monaten vor Kriegsende war die Abteilung nur noch geringfügig mit ihrer eigentlichen Aufgabe beschäftigt. Es wurden zwar weiterhin Berichte für das RSHA erstellt, jedoch bestand die Hauptaufgabe in der Vernichtung der Akten. Laut einer ehemaligen Mitarbeiterin des Schrifttumszentrallektorats wurden tagelang mehrere große Heizkessel befeuert und die Fontänebecken des Parkes dazu genutzt, die riesigen Mengen an Aktenmaterial zu vernichten. Dementsprechend einfach war es für die ehemaligen Mitarbeiter nach Kriegsende ihre Arbeit als rein literarische wissenschaftliche Tätigkeit darzustellen.

Johannes Hohaus
© Kulturbahnhof e.V., Markkleeberg
25. August 2016